Zum Interview des Oberbürgermeisters Andreas März im OVB und im Interview des BR am 26.09.2025 haben wir folgende Anmerkungen („RE“):
OB: Alles, was wir in Rosenheim für den Radverkehr und die Radfahrer getan haben, hätten wir auch ohne den Radentscheid gemacht. Schon alleine deshalb, weil sich die Straßenverkehrsordnung geändert hat, was beispielsweise die Breite von Radwegen und die Sicherheitsabstände angeht.
RE: Die Realität sieht so aus: Immer dann, wenn es eng wird, unterschreitet die Stadt bei der Planung neuer Straßen die Mindestbreiten von Radverkehrs- und Gehwegen sowie auch von Kfz-Spuren, um die gewünschte Anzahl an Kfz-Spuren anbieten zu können. Dabei wird sowohl gegen die Vorgaben des Radentscheids als auch die der geltenden Planungsrichtlinien verstoßen.
OB: Am Brückenberg wurde die Verkehrsführung auch zum Vorteil der Radfahrer verändert.
RE: Es gab hier Verbesserungen, aber an entscheidenden Stellen werden immer noch Radfahrer und Fußgänger auf engem Raum zusammengefasst. Neu angelegte Radwege wurden mit holprigen Betonplatten belegt, obwohl diese als Oberfläche unzulässig sind. Schlechte Bordsteinabsenkungen auf der neu gebauten Mittelinsel werden nicht beseitigt. Markierungen und Signalisierung für das indirekte Linksabbiegen von der Hubertus- in die Pichlmayrstraße fehlen nach wie vor.
OB: Zudem haben wir hunderte von Fahrradabstellanlagen bebaut – größtenteils auch überdacht.
RE: An vielen Stellen sind die Abstellanlagen überfüllt. Innerhalb von fünf Jahren wurden 2,5% der Anlagen überdacht. Im Radentscheid ist vorgesehen, die Hälfte zu überdachen. Wenn man in diesem Tempo weiterbaut, schafft man das Ziel in genau 100 Jahren. Die drei vorhandenen Überdachungen wurden nur deshalb gebaut, weil es zufällig ein Förderprogramm gab. Gerne hätten wir auch gewusst, warum es die Stadt nicht schafft, einen Stadtratsbeschluss von 2020 für neue Abstellanlagen am Bahnhof umzusetzen.
OB: Nicht vergesssen darf man auch die Markierungsarbeiten, wie beispielsweise Piktogrammketten.
RE: Solche auf die Fahrbahn gemalten Fahrradsymbole sind reine Notlösungen, wenn kein Platz für Radverkehrsanlagen vorhanden ist. Die Symbole sind oft schlecht erkennbar, weil es an der Wartung fehlt. In vielen großen Straßen könnte man durch die Abmarkierung von Radfahrstreifen schnell und günstig echte Verbesserungen für den Radverkehr schaffen. Das lehnt die Stadt ab, weil dann weniger Platz für den Kfz-Verkehr übrig wäre.
OB: Seit Ende 2024 gibt es (..) zwei Verkehrsplaner (…). Personell haben wir also aufgestockt.
RE: Fast fünf Jahre nach dem Beschluss zur Übernahme des Radentscheids soll es nun mehr Mitarbeiter geben. Es gab aber auch Abgänge in die Rente. Im Fahrradbeirat hören wir jedes Mal, dass viele Dinge aufgrund des akuten Personalmangels liegen bleiben müssen. Es fehlt hinten und vorne an Mitarbeitern. Für die Umsetzung des Radentscheids sind jetzt weniger die Verkehrsplaner gefragt, sondern die Mitarbeiter des Tiefbauamts, welche die die Einzelmaßnahmen projektieren, ausschreiben und betreuen. Wir haben den OB schon in 2020 aufgefordert, das nötige Personal einzustellen. Das hat er abgelehnt.
OB: (zur Frage, warum sich die Stadt nicht am Förderprogramm des Bundes mit 80% Förderung beteiligt hat): Das ist damals an dem engen Zeitplan gescheitert – von der Veröffentlichung des Förderprogramms bis zu den fertigen Planungen, um die Fördergelder abzurufen.
RE: Die Bedingungen des Förderprogramms waren für alle gleich, andere Städte haben sich die Gelegenheit jedoch nicht entgehen lassen. Es wurden über 1000 Projekte in ganz Deutschland gefördert, von der Abstellanlage bis hin zu komplett neuen Fahrradbrücken. Das Programm war unbürokratisch angelegt mit einfachem Förderantrag und garantierter Fördermittelzusage innerhalb eines Monats. Es wurden auch externe Planungsleistungen und Grunderwerb gefördert. Man hätte sich damit den Umbau der Innsbrucker Straße weitgehend finanzieren lassen können. Die Stadt hat aber nicht einmal die Förderung von Abstellanlagen beantragt. Wir wurden sogar von der Verwaltung explizit aufgefordert, keine Maßnahmen-Vorschläge für das Förderprogramm zu machen.
OB: (zur Frage, Vorhaben ohne bauliche Maßnahmen zu lösen durch Entfall einer Kfz-Spur) Wenn man eine Stelle sperrt, verlagert sich der Verkehr anderswohin. (…) Man muss immer die Konsequenzen berücksichtigen.
RE: Auch hier verweigert der OB die konsequente Umsetzung des Radentscheids. Bereits in der Eingangsfrage des Radentscheids heißt es, dass die Ziele für den Radverkehr vorrangig verfolgt werden sollen, „ggfs. durch Umwidmung von Kfz-Verkehrsflächen“.
Für die Innstraße hat man extra ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die (Kfz-)Verkehrsqualität bewertet, wenn der Kfz-Verkehr stadtauswärts nur noch über eine Spur abgewickelt wird. Das Ergebnis war Qualitätsstufe „B“, ein besonders guter Wert, der sonst in der Stadt kaum erreicht wird. Trotzdem lehnt man die Anlage von Radfahrstreifen ab. Offenbar soll es weiter ermöglicht werden, dass Autotransporter im absoluten Halteverbot entladen werden können. Ähnlich bei der Äußeren Münchener Straße. Auch hier hat eine Studie ergeben, dass eine Kfz-Spur vom Brückenberg bis Am Gries ausreicht (vom Brückenberg führt ohnehin nur eine Spur geradeaus). Für den Radverkehr wird aber nichts gemacht.
OB: Generell würde ich mir wünschen, dass in der Diskussion weniger aggressiv miteinander umgegangen wird. Die Bereitschaft, dem anderen einen Schritt entgegenzukommen, sollte da sein.
RE: Was er mit „aggressiv“ meint, wissen wir nicht. Wir haben beispielsweise für die Äußere Münchener Straße einen Stufenplan vorgeschlagen, der den Interessen des Kfz-Verkehrs stark entgegenkommt und die vollständige Umsetzung des Radentscheids zeitlich staffelt. Auf diesen Vorschlag haben wir nicht einmal eine Antwort erhalten. Im Laufe der letzten Jahre haben wir uns mehrmals schriftlich wegen der schleppenden Umsetzung an den OB gewandt. (Qualifizierte) Antworten haben wir nie bekommen.
OB: Fast jeder fünfte Rosenheimer ist mit dem Fahrrad unterwegs. Das ist ein guter Wert. Auch wenn wir unser Ziel von einem Radverkehrsanteil von 25 Prozent in dieser Wahlperiode wahrscheinlich nicht mehr ganz schaffen werden.
RE: Wie soll Rosenheim von 2024 bis 2026 von knapp 20% auf 26% (nicht 25%) kommen?